Mehrheit gegen Elterntaxis

Mehrheit gegen Elterntaxis

Weser Kurier 03.09.2020 Mehrheit gegen Elterntaxis

Schulweg

Mehrheit gegen Elterntaxis

Laut einer Studie werden Halteverbote und Straßensperrungen vor Schulen befürwortet

Weser Kurier von STEFAN LAKEBAND, MARIUS MERLE, LUTZ RODE UND CHRISTIAN VALEK

Bremen/Osterholz/Oyten/Lilienthal. Drei Viertel aller Deutschen sprechen sich dafür aus, dass Eltern ihre Kinder mit dem Auto nicht direkt bis vor die Schule bringen sollten. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Demnach wollen 74 Prozent aller Befragten Halteverbote für sogenannte Elterntaxis; etwa die Hälfte wünscht sich die Möglichkeit, Straßen vor Schulen temporär für den Verkehr zu sperren.

Auch in Bremen und umzu werden solche Maßnahmen diskutiert, denn auch hier sorgen Eltern, die ihre Kinder zur Schule oder zur Kita fahren, immer wieder für Ärger. Vor allem vor Grundschulen stauen sich morgens die Autos. Häufig stoppen Eltern auch in zweiter Reihe, blockieren die Fahrbahn und setzen ihre Kinder ungewollt Gefahren aus.

Wie viele Kinder regelmäßig zur Schule gebracht werden und welche Auswirkungen das auf die Sicherheit und den Verkehr hat, lässt sich laut Martin Stellmann, Sprecher des Amts für Straßen und Verkehr (ASV), nicht konkret sagen. Probleme durch Elterntaxis seien temporär zu beobachten. Dass Halteverbote vor Schulen eine Lösung sein könnten, glaubt Stellmann nicht. „Es handelt sich eher um Fehlverhalten und Missachtung bestehender Regeln“, sagt er. Soll heißen: Dort, wo es bereits Halteverbote gibt, werden diese vielfach ignoriert.

Martin Stoevesandt, Vorstand des Zentral­elternbeirats, spricht in solchen Fällen von „beratungsresistenten Eltern“. Auch er kennt die Klagen über verstopfte Straßen und brenzlige Situationen beim Aussteigen. Halteverbote vor Schulen findet er daher gut. Gleichzeitig sieht er, dass das Problem in den vergangenen Jahren kleiner geworden sei. „In Bremen kann ein Großteil der Kinder die Schule gut mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichen“, sagt Stoevesandt. Dazu beigetragen habe auch das Projekt Schulexpress, das in der Hansestadt entstanden ist und mittlerweile in vielen Teilen Deutschlands Anklang gefunden hat. Dabei werden um die Grundschulen herum gut sichtbare Haltestellen eingerichtet, an denen sich die Kinder morgens treffen können und von dort aus gemeinsam, maximal 15 Minuten zu Fuß zur Schule gehen.

Eltern, die ihre Kinder zur Schule fahren, sind nicht nur ein Problem der Großstadt, sondern auch in der Gemeinde Lilienthal und im Kreis Osterholz. Für den 17. September haben Elternvertreter zu einem autofreien Schultag aufgerufen. Mütter und Väter im gesamten Kreisgebiet sollen an diesem Tag auf den Bring- und Abholdienst für ihre Kinder verzichten.

„Die Kinder können morgens auf dem Schulweg vielleicht schon ein Eichhörnchen entdecken, sie treffen ihre Freunde und sind eben auch schon an der frischen Luft gewesen, wenn die Schule beginnt“

Mara Jekosch

Dabei geht es den Initiatoren nicht nur um das Verkehrschaos, sondern auch um die Vorteile, die Kinder dadurch haben. „Die Kinder können morgens auf dem Schulweg vielleicht schon ein Eichhörnchen entdecken, sie treffen ihre Freunde und sind eben auch schon an der frischen Luft gewesen, wenn die Schule beginnt“, sagt die Lilienthaler Elternvertreterin Mara Jekosch. Sie findet es auch wichtig, dass die Kinder ihren Schulweg alleine meistern; dies sei ein Beitrag zur Selbstständigkeit. Das sieht auch Susanne Fedderwitz, Leiterin des Fachbereichs Bildung und Erziehung bei der Stadt Osterholz-Scharmbeck so. „Eltern müssen immer wieder ermutigt werden, den Kindern etwas zuzutrauen“, sagt sie. 

In Oyten ist man einen Schritt weiter: Nachdem gutes Zureden und Verbote über Jahre nicht geholfen haben, hat sich die Gemeinde im Sommer für den radikalen Weg entschieden. Die Pestalozzistraße, an der die IGS, eine Grundschule und eine Kita in unmittelbarer Nachbarschaft liegen, wird künftig zu den Stoßzeiten morgens und mittags durch Schranken für Elterntaxis  gesperrt werden. Dem Beschluss ging ein zweiwöchiger Probebetrieb im Januar voraus, der die erwünschte Wirkung erzielt hat: Mehr Sicherheit für die Kinder und Jugendlichen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad kommen. 

Passiert werden dürfen die Schranken nur noch von Anwohnern, den Beschäftigten der Kita und Schulen, dem Schulbus sowie den Eltern der Kitakinder. Haltemöglichkeiten für Elterntaxis und für Oberstufenschüler mit Führerschein gibt es nur noch in weiterer Entfernung vom Schulgelände. Zusätzlich soll in einer Parallelstraße ein weiterer Parkplatz zum Abholen entstehen.

In Bremen hatte der Verkehrspolitiker Ralph Saxe (Grüne) Anfang des Jahres einen ähnlichen Vorstoß gemacht. Er hatte einen Bürgerschaftsantrag formuliert, durch den die zeitweise Sperrung von Straßen möglich werden soll und die Einrichtung sogenannter Schulstraßen gefordert. Zu einer solchen Sperrung ist es laut Thomas Kirpal vom Verkehrsressort bislang nicht gekommen. Sowohl er als auch Stellmann vom ASV weisen darauf hin, dass so etwas mit hohen rechtlichen Hürden verbunden sei.

Im niedersächsischen Peine gibt es – wegen Corona – eine gegenläufige Entwicklung, wie der NDR just berichtete: Für Elterntaxis soll es dort eine Pauschale von 30 Cent pro Kilometer geben, damit sich in den Bussen im Landkreis das Virus nicht weiter verbreitet.

Bild von Capri23auto auf Pixabay

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